Der nächste Beitrag aus der Serie Buddhas moderne Lehren lässt auf sich warten, da mir nach viel zu langer Zeit wieder Hermann Hesses Siddhartha in die Hände gefallen ist.
Ich habe das Buch vor nicht ganz einem Jahrzehnt zum ersten Mal gelesen und erinnere mich an die tiefe Bewunderung, die ich damals für dieses aus den 1920ern stammendem Werk empfand. Damals war mir über Buddhismus nicht viel mehr bekannt, als in den österreichischen Schulen darüber gelehrt wurde. Mein Interesse wurde durch diese Erzählung definitiv geweckt, wenn auch noch weit entfernt von Orientierung.
Das Buch behandelt die Geschichte eines jungen Brahmanen, der sein Zuhause verlässt um Asket zu werden. Er ist sehr talentiert aber ihm wird bewusst, dass dieser Weg ihm keine Befreiung finden lässt. Als sich Gerüchte über einen Erwachten herumsprechen, verlässt er mit seinem Begleiter die Asketen um die neue Lehre zu hören. Im Dialog mit dem Erwachten beschließt er zu sich selbst Zuflucht zu nehmen und entwickelt sich zu einem Liebhaber und Kaufmann. Nachdem er allerdings Genüsse und Leid konditioniert hatte verließ er dieses Leben und wurde Fährmann. Sein Vorgänger und der Fluss lehrten ihm fortan und dieser Weg führte ihm zum Erwachen.
… eine Wahrheit läßt sich immer nur aussprechen und in Worte hüllen, wenn sie einseitig ist. Einseitig ist alles, was mit Gedanken gedacht und mit Worten gesagt werden kann, alles einseitig, alles halb, alles entbehrt der Ganzheit, des Runden, der Einheit. Wenn der erhabene Gotama lehrend von der Welt sprach, so mußte er sie teilen in Sansara und Nirwana, in Täuschung und Wahrheit, in Leid und Erlösung. Man kann nicht anders, es gibt keinen andern Weg für den, der lehren will. Die Welt selbst aber, das Seiende um uns her und in uns innen, ist nie einseitig. Nie ist ein Mensch, oder eine Tat, ganz Sansara oder ganz Nirwana, nie ist ein Mensch ganz heilig oder ganzu sündig. Es scheint ja so, weil wir der Täuschung unterworfen sind, daß Zeit etwas Wirkliches sei. Zeit ist nicht wirklich, Govinda, ich habe dies oft und oft erfahren. Und wenn Zeit nicht wirklich ist, so ist die Spanne, die zwischen Welt und Ewigkeit, zwischen Leid und Seligkeit, zwischen Böse und Gut zu liegen scheint, auch eine Täuschung. …
"Siddhartha - Eine indische Dichtung", Hermann Hesse, S. 130 Suhrkamp Verlag 1. Auflage 2004
Diese Darstellung, dass Weisheit und Ideen nicht vollständig und unmittelbar in Sprache gefasst werden kann, ist überwältigend klar. Hesse schrieb dieses Buch in Zeiten des Umbruchs um vorallem der Jugend eine neue Perspektive zu zeigen, einen eigenen Weg zufinden und sich von kirchlichen oder gesellschaftlichen Schranken zu befreien.
Aus den Erläuterungen am Ende meiner Ausgabe entnehme ich, dass in Europa dieser Aufruf nicht annähernd so inflationär aufgenommen wurde wie Jahrzehnte später in Amerika, wo dieses Buch vielen Hippies die nötige Motivation gab, sich aus dem konventionellen System heraus zu bewegen.
Die dichterische Sprache in diesem Buch ist im Vergleich zu heutigen Romanen sehr blumig. Aber gerade das sollte jungen Menschen vor Augen führen wir starr und effizient die heutige Lebensweise zu sein hat. Wer sich auf dieses Buch einlässt, kann wahrnehmen, dass dieser Zeitgeist nicht unserem Wesen entspricht. Zumindest mir geht es so.
Abschließend möchte ich allen empfehlen – besonders auch denjenigen, die das Buch seit längerem zuhause im Regal verstauben lassen – diese Geschichte erneut zu lesen.
Mit zuversichtlichen Grüßen
[toe]