Ein High-Need Baby…

Toe und ich mögen es nicht, Menschen in Schubladen zu stecken. Denn das Problem dabei ist, sobald man jemanden in eine Schublade gesteckt hat, ist es sehr schwer, ihn da wieder raus zu bekommen. Gerade bei Babys und Kindern, die sich ja irgendwie ständig weiterentwickeln und verändern, sind solche Einteilungen kritisch zu betrachten.
Dennoch möchte ich heute über unsere Erfahrungen mit unserem mittlerweile zweieinhalbjährigen Kind schreiben. Es war ein langer Prozess, bis wir den Entschluss gefasst haben, auch öffentlich von unserem Kind als ‚high-need Kind‘ zu sprechen. Heutzutage, so empfinde ich es, hat fast jeder ein besonders besonderes Kind, das entweder hochsensibel, high-need, hochbegabt oder hyperaktiv etc. ist. Oft sogar mehreres davon gleichzeitig. Ich möchte hier niemandem zu nahe treten, falls dies wirklich der Fall sein sollte! Und natürlich ist für alle Eltern der eigene Nachwuchs was ganz Besonderes. Worauf ich hinaus möchte ist lediglich die ständige Überbewertung des Kindes: Ist es am Nachmittag laut, rennt wild herum und möchte nicht still beim Esstisch sitzen, wird es als hyperaktiv bezeichnet. Wenn ein Baby sich in fremder Umgebung mit vielen Leuten unwohl fühlt und weint, muss es natürlich hochsensibel sein.

Oft wirkt es auch so, als wären wir Eltern nicht sehr stressresistent und normale kindliche Verhaltensweisen bringen uns schnell auf die Palme. Hierfür eine Art Ausrede zu haben, nach dem Motto:“ich bin so gestresst, mein Kind ist ja auch besonders schwierig“ ist wohl ein Weg, selber besser damit klar zu kommen.

Ich denke, ein Baby oder Kleinkind zu haben, ist auf alle Fälle stressig! Egal, welches Temperament es hat, es wird immer fordernde Situationen geben. Außerdem haben wir Eltern ja ganz unterschiedliche Stressresistenzen. Was für den einen eine Lapalie ist, kann für einen anderen ein Weltuntergang sein.

Ich hatte jedenfalls eine sehr entspannte und beschwerdefreie Schwangerschaft und eine recht stressfreie Geburt. Wir waren von Anfang an sehr gelassen, ich hatte keine Zweifel oder Ängste und wir haben uns naiverweise vorgestellt, dass man auch mit Baby sein altes Leben großteils weiterführen kann. Wir wollten die lässigen Eltern sein, die ihr Kind zur Meditation und zum Yoga mitnehmen würden, abends Freunde besuchen würden, während das Baby etwas abseits schläft und bei alltäglichen Situationen wie Einkaufen, Haushalt, Besuchen, Essen gehen usw. einfach dabei war. Schließlich kannte ich es auch nicht anders: die Kinder aus meiner Verwandtschaft waren recht ‚pflegeleicht‘ – haben fast immer und überall einfach geschlafen, wenn sie müde waren, ließen sich von den meisten Erwachsenen herumtragen und unterhalten oder lagen friedlich in ihrem Stubenwagen oder spielend auf der Spieldecke.

Jedenfalls waren Toe und ich von Anfang an sehr gefordert mit unserem Baby…

Hier hatte ich bereits einen langen Absatz geschrieben, warum unser Kind ein high-need Baby war und ist. Etliche Beispiele sind mir eingefallen, warum sich unser Zwergal beim Stillen der Bedürfnisse von den anderen, die wir kennen, unterscheidet. Doch das war keinesfalls, worauf ich hinaus wollte.

Denn das größte Problem, das ich dabei empfinde, ist die Tatsache, dass wir kaum Verständnis für unsere Situation erhalten! Selbst von Verwandten und Bekannten sowie Freunden kamen oftmals nur Sprüche oder Ratschläge, die uns – wenn auch nicht absichtlich und böswillig gemeint – das Gefühl gegeben haben, dass wir mit unserem Kind falsch umgehen. Dass wir es falsch ‚erziehen‘, verwöhnen, verhätscheln, nicht loslassen können. Ich habe in den zweieinhalb Jahren mit unserem Zwergal nicht einmal unterstützende Worte erhalten. Allerhöchstens mal abgedroschene Phrasen wie:“das geht auch irgendwann vorbei“. Aber keiner interessiert sich, warum wir es so machen, wie wir es machen. Warum unsere Art vielleicht eine andere ist oder warum wir – wie in vielen anderen Lebensbereichen auch – nicht den „konventionellen“ Weg gehen. Denn auch wenn man es nicht glauben mag, die schwarze Pädagogik, oder zumindest Teile davon, sind auch in der heutigen Zeit leider noch Gang und Gebe…

Mir fehlt es sehr, mich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Mir fehlt es, nicht bei jedem Gespräch auf diese Widerstände zu treffen. Und ich meine nicht online, sondern im wahren Leben. Zusätzlich zu unserem Kind raubt mir das wirklich wahnsinnig viel an Energie!

So, das musste nun endlich mal raus. Auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob ich ausdrücken konnte, was mich bedrückt…

9 Kommentare zu „Ein High-Need Baby…“

  1. Vielen lieben Dank für dein Kommentar.
    Mit dem Begriff gefühlsstark bin ich erst kürzlich in Kontakt gekommen und es hilft auch mir sehr, zu wissen, dass wir nicht alleine sind 😊
    Diese Bewertungen kenne ich leider nur zu gut, ich tu mir auch schwer damit. Denn ich habe das Gefühl, dass meine Erklärungsversuche auf taube Ohren stoßen…
    Trotz allem weiß ich, dass unser Weg der richtige für uns ist und lasse mir da auch nicht reinreden – was nicht bedeutet, dass ich nicht für ein konstruktives Gespräch bereit bin. 😉

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  2. Huhu ☺ Erst mal, danke, dass Dir mein Blog so gut gefällt. Gerade dieser Artikel kommt für mich genau zur rechten Zeit. Habe auch so ein „gefühlsstarkes“ Kind was mich teilweise an den Rand der Verzweiflung treibt. Ich persönlich kenne das mit den Ratschlägen auch. Schwierig für mich empfinde ich auch die Bewertungen des Umfeldes. „Oh..da habt ihr aber einen Wirbelwind“ „Der ist aber ganz schön wild“ „Kann er nicht mal alleine ruhig spielen?“ Ich habe noch keine Lösung für mich gefunden damit adäquat umzugehen. Aber es hilft mir zu wissen, dass es anderen auch so geht. Danke ☺

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  3. Ich kann das so gut nachvollziehen… Man stößt bei Verwandten und Bekannten oft auf Unverständnis – man könnte manchmal meinen, alle anderen wissen besser was das eigene Kind braucht als die Eltern. Die Leute sind enttäuscht wenn das Baby nicht herumgereicht wird, wenn es nicht jeder zumindest einmal halten darf. Wenn das Kleine nicht bei jedem einzelnen Supermarktbesuch mitgeschleppt wird, verwöhnt man es laut der Meinung anderer sofort. Dass manche Babys durch Menschenansammlungen verunsichert werden und weinen, wird einfach nicht akzeptiert.
    Ich habe gelernt, immer auf mich selbst zu hören, denn ich weiß als Mutter am besten über die Bedürfnisse meiner Tochter Bescheid. Ich lasse mir auch nicht mehr sagen, dass ich ein „schwieriges Kind“ habe, das bereits viel zu sehr verwöhnt ist. Meine Tochter ist perfekt genau so wie sie ist – jedes Baby ist nun mal einzigartig.

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  4. Liebe Sandra,
    Vielen lieben Dank für deine Worte!
    Ich hab auch keine Ahnung, warum es so ein Problem ist zuzuhören und danach konstruktiv über ein Thema zu reden. Vielleicht weil viele Emotionen mitschwingen, die man selbst noch gar nicht zuordnen kann.
    Ich erwarte keine sture Akzeptanz, mit uns kann man gerne mal über Themen reden und diskutieren – im Gegensatz zu anderen haben wir ja benennbare Gründe, warum wir uns verhalten, wie wir es tun 😉 Aber stattdessen kommen unterschwellige Botschaften, dass unsere Vehaltensweisen nicht „gut“ sind oder solche, wie wir es lieber machen sollten. Es ist einfach kräftezehrend, wenn der Umgang mit unserem Kind von Freunden und Familei nicht ansatzweise nachvollzogen werden kann…
    Schön, dass man dafür im Netz und unbekannterweise aufbauende Worte erhält 😊

    Liebe Grüße cao

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  5. Liebe Verena,
    vielen lieben Dank für dein Kommentar ❤
    Das innere verletzte Kind im Anderen zu sehen, ist wahrscheinlich eine gute Möglichkeit, um mit Mitgefühl reagieren zu können! Es ist ja auch nicht so, dass ich gänzlich unaufgeschlossen bin: ich verstehe auch andere Situationen, kann andere Ansichten nachvollziehen und weiß – vor allem auch weil ich es an mir selbst sehe – dass es nicht immer einfach ist, seine Lebenseinstellung zu ändern oder zumindest zu hinterfragen, weil es wirklich tief in einem drin ist, oftmals ganz unbewusst.

    Dass ich immer wieder auf diese äußeren Widerstände treffe ist mir nicht Neues. Nur bin ich es mittlerweile einfach leid, denn wiegesagt fehlt mir durch unser Kind die notwendige Energie. Ich möchte mich nicht für alles rechtfertigen müssen… Und mir fehlt die notwendige Akzeptanz, dass wir in unserem Leben eigene Entscheidungen treffen, weil sie für UNS gut sind!

    Den Kompass kenne ich schon ein wenig – ich beziehe den Newsletter von Ruth und habe ein paar Videos geschaut. 😉
    In den Social Media bin ich nicht vertreten, aber ich übelege seit einiger Zeit, darin aktiv zu werden. Hauptsächlich, um regional Menschen kennenzulernen. Denn auch wenn Kommentare wie deiner Balsam für die Seele sind, möchte ich mich auch offline austauschen. Und ich habe den Eindruck, dass sich zu Themen AP, artgerecht oder unerzogen viel tut, aber eher in Deutschland und weniger in Österreich?!

    Liebe Grüße cao

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  6. Hi ihr! Ich glaube, ich weiß, was ihr meint, wirklich zuhören wollen (oder können?) die wenigsten, meist hab ich das Gefühl, das von mir Gesagte ist nur ein Türöffner für den anderen, auf seine Perspektive/ Erfahrung/ Meinung umzuschwenken. Keine Ahnung ob es eine Empathie Frage ist oder ob tatsächlich die Fähigkeit, zuzuhören ohne zu werten einfach nie vermittelt wurde. Meist hat man (ich ertappe mich manchmal selbst dabei) das Gefühl, man muss da irgendwas zu sagen, und wenn es am Ende nur Floskeln sind. Kann mir vorstellen, dass es im Familien- und Freundeskreis ganz besonders weh tut, nicht ernst genommen zu werden. Schicke euch Mal unbekannterweise einen Drücker für jeden von euch (inklusive eurem Hörnchen :))

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  7. Liebe cao, fühl dich mal lieb umarmt. Ich kann deine Worte sehr nachvollziehen und fühle mich stark mit dir verbunden. Mir erging es lange Zeit sehr sehr ähnlich. Ich wurde oft komisch angeschaut wenn ich über meinen Umgang mit meinen Kindern erzähle. Inzwischen gelingt es mir das innere verletzte Kind bei meinem Gegenüber zu sehen und mit Mitgefühl zu reagieren, die Emotionen bei meinem Gegenüber zu belassen. Nicht immer. Aber sehr oft. Und meine ältere Tochter hat uns auch sehr gefordert und ist eben sehr gefühlsstark. Inzwischen kann ich es als wundervolle Seite an ihr annehmen.

    Und schließlich: Wir können das in unser Leben ziehen, was wir wollen. Klar manche Dinge wie Krankheiten liegen nicht in unserer Hand. Aber der Umgang damit dann auch wieder. Wir können uns entscheiden uns mit Menschen zu umgeben, die unsere Werte teilen. Das ist wundervoll. Ich glaube, dass du unter dem Begriff Unerzogen fündig werden könntest. Bist du in den social media? Wenn ja, magst du dich vielleicht auf der Kompass Seite von Ruth Groß mal umsehen? Ich habe mir ein Netzwerk gleichdenkender Menschen aufgebaut, um in Verbindung zu sein, um meine eigenen Bedürfnisse zu stillen und meine friedvolle Haltung leben zu können. Ich denke an dich.

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