Seit ich (endlich) das Buch von Melanie Joy „Warum wir Hunde lieben, Schweine essen und Kühe anziehen“ gelesen habe (das ich übrigens jeder/m nur wärmstens empfehlen kann), ist mir so einiges klar geworden – warum es so ist, wie es ist.
Fleisch zu essen ist so verbreitet, so „normal“, so allgegenwärtig, dass kaum jemand auf die Idee kommt, dass sich dahinter eine gewalttätige Ideologie, ein Glaubenssystem verbirgt. Es bleibt uns verborgen, weil es bis vor kurzem nicht einmal einen Namen hatte (Karnismus) und weil wir von klein auf darauf konditioniert wurden.
Karnismus bedient sich der 3Ns. Fleisch essen ist normal, natürlich und notwendig. Diese 3Ns wurden schon oft benutzt um Systeme der Ausbeutung zu rechtfertigen, sei es Rassismus, Sexismus, Antisemitismus oder andere hässliche -ismen. Karnismus hat uns diese 3Ns so verinnerlichen lassen, dass sie kaum jemals hinterfragt werden, wir leben danach als wären es Wahrheiten und nicht bloß Meinungen. Sie dienen als emotionale und geistige Scheuklappen, damit wir nicht sehen (wollen), was wir nicht sehen sollen.
Joy erklärt in ihrem Buch ganz wunderbar verständlich die Mechanismen, der sogenannten psychischen Betäubung, die unsere Wahrnehmung verzerren und uns den Zugang zu unseren Gefühlen versperren und Empathie in Apathie verwandeln. Das sind unter anderem: Verleugnung, Vermeidung, Routinisierung, Rechtfertigung, Verdinglichung, Rationalisierung, … Sie sorgen dafür, dass wir, hineingeboren in diese Matrix, sie weitertragen und aufrecht erhalten, dass wir selbst als Gefangene dieses Systems zugleich auch loyale Gefängniswärter werden.
Ich weiß, dass die meisten Menschen, selbst die intelligentesten, Mühe haben, die Wahrheit – selbst die einfachste und klarste Wahrheit zu erkennen, wenn diese Wahrheit sie zwingt, Ideen für falsch zu halten, auf die sie ihr Leben gegründet haben. (Tolstoi)
Seit ich dieses Buch gelesen habe, komm ich mir wirklich ein bisschen vor wie Neo in dem Film „Die Matrix“. Aufgewacht in einer Welt, in deren Hintergrund, unsichtbar und abgeschottet, ein grauenhaftes und gewalttätiges System von unvorstellbaren Ausmaßen am Werk ist. Man weiß und ahnt ja etwas, will es aber lieber nicht so genau wissen – man lebt ja eh schon vegan, das sollte ja reichen. Tut es aber nicht.
Um Entscheidungen zu treffen, muss man die Fakten kennen, auch wenn sie noch so schmerzlich anzusehen sind. Man muss sich informieren und es auch weitersagen, es genügt nicht, selbst nicht mehr mitzumachen. Auch wenn man dann etwas abwertend als „missionierend“ bezeichnet wird – wer will das schon sein – ein kluger Schachzug – wieder ein Veganer mundtot gemacht. Hätte man das auch zu jemandem gesagt, der gegen Rassismus eintritt? Und wenn nicht, warum nicht? Wo ist der Unterschied?
Gewalttätige Systeme profitieren von unserem Wegschauen und Zulassen. Neutralität oder eine rational-gemäßigte Haltung hilft in diesem Fall den Tätern und nicht den Opfern. Ich mag nicht mehr zu dummen Veganer-Witzen höflich lächeln.
To be continued …
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