Eine Annäherung an Rituale?

Nachdem ich nun einige Jahre buddh. Texte lese und seit knapp eineinhalb Jahre mich mit regelmäßiger Meditation beschäftige, spüre ich langsam, wie sich in mir ein erweitertes Bedürfnis nach Ritualen bildet. Sicher spielt die Situation, dass ich in den letzten Monaten weniger Zeit für das Lesen von buddh. Texten verwendet habe, mit.

Ein relativ festes Ritual habe ich bereits in dem Beitrag Morgenpraxis beschrieben. Aber wie das so ist mit Ritualen, gibt es für mich nur wenige wichtige Begründungen, warum ich ein Ritual überhaupt ausführen sollte. Die Gründe sind geprägt von einem inneren Wandel:

  • Rituale, die man alleine durchführt, sollten einem in irgendeiner Form weiterhelfen. Zum Beispiel um ungewollte Gewohnheiten abzulegen oder sich gewollte Verhaltensweisen anzutrainieren.
  • Rituale, die mit anderen Menschen praktiziert werden, sollten den ersten Aspekt um ein Gemeinschaftsgefühl erweitern. Zum Beispiel empfinde ich das gemeinsame Rezitieren von Mantren viel bereichender, als es alleine für mich zu tun.

Ich möchte jetzt nicht über katholische Kirche aushauen, aber als ich früher an der „Heiligen Messe“ teilnahm, konnte ich offensichtlich keinen der beiden Aspekte wahrnehmen. Obwohl ich getauft und gefirmt wurde, hatte ich keine Ahnung wie die Struktur der Messe war und welche Bedeutung darin steckte. Ich saß da oder stand auf, wenn alle anderen aufstanden, tat so als würde ich mitsingen und sprach die Gebete, die man als Katholik auswendig können muss.

Als Jugendlicher konnte ich nachts oft stundenlang nicht einschlafen. Meine Gedanken kreisten um „Gott und die Welt“ und irgendwann war klar, dass mir die Ausübung dieser Rituale nichts gebracht hat. Da ich das relative Glück hatte, in einer Region und einer Zeit aufgewachsen zu sein, wo es Trend war nicht religiös zu sein, gab es mit meinem weiteren nicht-kirchlichen Verhalten keinerlei Probleme.

Aktuell spüre ich, wie mir die wöchentliche gemeinsame Meditation und die Treffen der Dharme Gruppe sehr gut tun und dass ich neben der stillen Meditation auch andere Rituale ergänzen möchte. Es gibt dabei leider ein kleines Hinderniss.

Der Buddhismus in Europa hat den Vor- und Nachteil, dass er hier sehr vielfältig ist. In der Region wo ich jetzt lebe gibt es in näherer Umgebung keine Handvoll Buddhisten und in weiterer nur ein paar mehr. Und fast alle folgen einer anderen Ausprägung bzw. Tradition. Damit sind gemeinsame Rituale oft ein Kompromiss.

Aber wenn es um die persönliche religiöse Entwicklung geht, ist irgendwie wenig Spielraum für Kompromisse vorhanden als sonst. Sag einem „frommen Christen“ er oder sie solle in einer jüdischen Synagoge oder einer moslimischen Moschee mitbeten. Ich denke, das wird nur in äußerst seltenen Fällen funktionieren und würde auch Vorbereitungszeit brauchen. Oder es würde einfach nichts bringen, obwohl die Religionen miteinander verwand sind.

Wie ich schon oft erwähnt habe, kommt es für mich nicht in Frage Japanisch, Tibetisch oder Pali zu lernen um meine Religion auszuüben. Das macht für mich keinen Sinn. Für Mantra Rezitation kann ich aufgrund guter Argumente einen Kompromiss eingehen. Wobei ich die Bedeutung der Silben – vorzugsweise in Sanskrit (als kleinster gemeinsamer Nenner zum Yoga) – verstehen möchte, bevor ich mich vollständig darauf einlassen kann.

In der Triratna Gemeinschaft gibt es zwei Pujas und andere Texte, die in jede Landessprache übersetzt wurden:

Mein Plan ist jetzt erstmal die einfache Puja auswendig zu lernen und wenn möglich diese in meine 3 morgendlichen Sonnengrüße zu integrieren. Ich weiß noch nicht, welche Bewegungsabläufe bei Triratna dazu durchgeführt werden. Das werde ich vermutlich erst im Juni nächsten Jahres erfahren. Aber solange mag ich nicht mehr still halten.

Stupa in Vimaladhatu, DE

Wer sich knapp eine Stunde Zeit nehmen möchte, kann sich folgenden tollen Audiovortrag zum Thema Rituale anhören:

Wenn sich der Verstand gegen Rituale sträubt, dann ist der Weg des geringsten Widerstandes, das Ego von der Sinnhaftigkeit von Ritualen zu überzeugen. Offensichtlich hat sich mein Herz schon zur Aufnahme bereit erklärt.

8 Kommentare zu „Eine Annäherung an Rituale?“

  1. Eine der wichtigsten Eigenschaften von Ritualen ist, dass sie verfestigen bis hin zum Konditionieren.

    Das kann man auch an der Magie nachvollziehen: Auf bestimmte Weise gesprochene Worte oder ausgeführte Handlungen sollen wirksam sein. Sie sollen die Welt, die eigene Person, meist aber fremde Personen, verändern können. Hier betreten wir das weite Feld der Suggestionen und der selbsterfüllenden Prophezeiungen. Und verlassen es auch gleich wieder, denn das führt jetzt zu weit.

    Rituale können helfen eine Hürde zu nehmen – vergrössern aber häufig eine der nächsten Hürden – das geht bis zum Ausbremsen des gewünschten Effekts: Die Stufen schneller hinter sich zu lassen. Man hat es schlicht zu eilig oder übertreibt es.

    Wenn eine Person für sich selbst Rituale will, weisen sie oft darauf hin, wo etwas „Unterstützung“ nötig ist. Im Sinne des Buddhismus liegt wohl eine negative karmatische Aktivität vor. Wenn ich ein Ritual benötige um XY zu bedenken, dann ist XY (noch) nicht Teil meiner Welt und ich will ihm mehr Raum schenken. Die Gefahr dabei ist, dass ich anderes vernachlässige oder mir den weiteren Weg durch den Fokus auf XY verbaue.

    Evtl. soll durch die Betonung der gemeinsamen Rituale schlicht dem Wunsch nach einer Gemeinschaft nachgegeben werden. Auch dafür können viele Gründe (gute und schlechte) vorliegen, da kann unter Umständen die Meditation Klärung bringen, aber auch ein guter Freund (egal welcher Religion) oder auch nur etwas Abstand von sich selbst. Z.B. kann ein gutes Buch weiterhelfen (z.B. Terry Pratchett: Heisse Hüpfer oder die Oma Wetterwachs Bücher) der Klassiker wäre wohl das Glasperlenspiel (oder zur Vorbereitung z.B. Narziss und Goldmund, Die Morgenlandfahrer oder …) von Hermann Hesse.

    Oder um es ganz klar zu sagen: Hektik und Treiben ist nur eine andere Form von sich Treiben lassen. Entschleunige ein bisschen und lebe das Jetzt – nicht das Morgen (und auch nicht das Gestern).

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  2. Wie sovieles, meine ich, ist Religion nicht mehr als ein Werkzeug. Wenn es zu starr ist, kann es sicher nicht für jeden zu jeder Zeit passen. Eine Religion meines Vaters ist ein Fußballklub, aber auch dabei ist er nicht sehr religiös. Wie ist es bei dir? Oder was verstehst du als organisierte Religion?
    MfG toe

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  3. Für mich ist das nachvollziehbar. Die Rituale kamen auch mit der Zeit zu mir. Sie sind mir eine Hilfe wieder anzukommen – auf dem Weg. Jeder geht einen anderen Weg.

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  4. Habe das auch in mehreren Lehrreden gelesen, bezogen auf die Brahmanen. Wobei er sinngemäß meinte, Rituale können nutzlos sein, aber auch nützlich. Es kommt auf die richtige innere Haltung an. Wenn die nicht stimmt bezeichne ich das als leeres Ritual und die sind immer nutzlos.
    MfG toe

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  5. Mich hat es sehr für den Buddhismus eingenommen, dass er fast ohne Rituale auskommt, mal abgesehen von den volkstümlichen Formen. Buddha soll selbst Rituale nicht für nötig gehalten haben. Leider finde ich die entsprechende Lehrrede nicht mehr…

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